03. Januar 1950
Aus der Kreisstadt Sinsheim
Nur durch Industrieansiedlungen kann dem Landkreis geholfen werden. Diese Forderung unterstreicht der Monatsbericht des Arbeitsamtes mit der größten Betonung. Obwohl die Zahl der Beschäftigten gegenüber der letzten Auszählung auf 18 723, also um rund 500, gestiegen ist, was bereits auf eine Zunahme von Betrieben und eine Wiederaufnahme der Arbeit von früheren Nichtarbeitern zurückzuführen ist, konnte dem Ansteigen der Arbeitslosenziffer nicht Einhalt geboten werden. Die 3000 Grenze der Arbeitssuchenden wurde erstmals nach dem Krieg im Landkreis Überschritten. Die Ursachen liegen zu einem Teil Zusammenbruch der Tabakindustrie. Darüber hinaus wurden jedoch gleichfalls viele Saisonarbeiten beendet. In Notstandsarbeiten waren noch 298 Arbeiter beschäftigt. In vielen Fällen hatte man wegen des schlechten Wetters die Einstellung der Notstandsarbeiten geplant, jedoch konnten bis auf eine Durchführung alle Unternehmungen weitergeführt werden. Im Monat Dezember wurden 130 Männer und 74 Frauen wieder in Arbeit gebracht.
Die Vermittlungen erstreckten sich bis in die Arbeitsamtsbereiche Heilbronn, Neckarsulm, Bruchsal, Brackenheim, Karlsruhe, Mannheim, Ludwigsburg und Stuttgart.
Aus der Kriegsgefangenschaft kehrten 24 Arbeitssuchende zurück, so daß sich die Zahl der arbeitslosen Heimkehrer auf 83 Männer und 2 Frauen erhöht. In der Landwirtschaft sind keine Arbeitsmöglichkeiten zur Zeit. Der winterliche Holzeinschlag nähert sich ebenfalls seinem Ende. Viele Gemeínde haben diese Arbeit bereits erledigt. Das neue Jahr zeigt wenig hoffnungsvolle Perspektiven, wenn nicht überkreislich alles getan wird, um die Bemühungen der Kreisbehörden auf Intensivierung der Industrie finanziell weitgehendst zu unterstützen.
Das Müllerhandwerk hat ür den 6. Januar, 14 Uhr, im Gasthaus zum Bahnhof eine Innungs versammlung angesetzt. Auch hier wird Dr. Hartmann, Karlsruhe, über die Altersversorgung sprechen.
Ueber die Härten des Lastenausgleiches vermittelt das nachstehende Geschick einer „Besitzenden“ in einer Landkreisgemeinde ein Schulbeispiel an Gesetzeshärte. Die Betreffende ist Besitzerin einer halb zerfallenen Mühle (außer Betrieb) mit etlichen Wohneinheiten. Der Gesamtwert an Grund und Boden wurde auf 18 000 DM geschätzt. Die jährliche Pacht- und Mieteinnahme beträgt ca. 2000 DM. Von diesem Gelde lebte die Besitzerin bislang. Als Vermögende stehen ihr keine Wohlfahrtsunterstützung oder ähnliches zu. Jetzt verlangt der Lastenausgleich von dieser Frau im Jahr annähernd 1800 DM. Kann ein Mensch mit 200 DM Einkommen im Jahr überhaupt noch leben? Oder ist das Endziel eine restlose Verarmung aller Menschen und eine Vernichtung der noch bestehenden Werte? Sollte sich in dieses Gesetz nicht eine Einschränkung für derartige Härtefälle einfügen lassen?
Während die Post in Sinsheim in den Tagen vor Weihnachten einen normalen Vorkriegsverkehr zu bewältigen hatte, erreichte der Postdienst an Neujahr knapp die Hälfte der Vorjahresanforderungen. Bereits in den Vormittagsstunden des 31. Dezember flaute der am 30.12. verhältnismäßig stark eingesetzte Postverkehr merklich ab. Daraus läßt sich schließen, daß viele aus Ersparnisgründen ihre Neujahrsgrüße mit den weihnachtlichen Wünschen verbunden hatten. Dank der zügigen Arbeitsfreudigkeit der für den Paketdienst eingesetzten jüngeren Arbeitskräfte traten im Weihnachtsverkehr bei der Paketzustellung keine Stockungen ein. Es waren harte Arbeitswochen für alle Bediensteten. Aber auch das Publikum trug seinen Teil durch Einhalten der Einlieferungstermine für den reibungslosen Ablauf bei. Bis zu 60% waren die Pakete für die Ostzone bis zum 13.12. aufgeliefert. Insgesamt hielt der starke Zu- und Abgang bis zum 22. 12. an. Die Zusammenarbeit zwischen Bahn und Post konnte an gegenseitiger Bereitwilligkeit nicht mehr übertroffen werden. Doch war die Bahnpost. derart überlastet, daß für die Paketbeförderung zwischen Heidelberg und Sinsheim zusätzlich Kraftwagen eingesetzt wurden. Heute hat der Postverkehr seine normalen Formen wieder angenommen.
03. Januar 1950
Hoffenheim.
In der Silvesternacht spielte im „Ratskeller“ die vorzügliche Tanzkapelle „Triangel“ einen bunten Reigen moderner Melodien. Besonders der Akkordeonspieler R. Gröhner gefiel durch die virtuose Beherrschung seines Instrumentes.
03. Januar 1950
Neckarbischofsheim.
Ein arbeitsreiches Jahr beschloß nun die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. am Jahr voll Mühe und Sorge, Not uns Leid. Aber es brachte uns daneben auch recht viel Erfreuliches. So konnte die Wohnraumnot durch Privat- und Gemeindebau sehr gelindert werden. Dank der weitblickenden Initiative des im Oktober verstorbenen Bürgermeisters Heinrich Hotz steht heute ein großes Siedlungsgelände zur Verfügung. Wegen der 30 Bauplatze hinter dem Turm für das evangelische Hilfswerk sind Verhandlungen im Gange.
Die Arbeitslosenzahl konnte durch Notstands- und Waldarbeiten stark vermindert werden. Der Schloßkauf durch die Gemeinde steht vor dem Abschluß, so daß ein oft diskutiertes Objekt endlich seine befriedigende Lösung gefunden hat.
Um das Jahresende erhitzten nochmals zwei heftige Wahlkämpfe um den neuen Bürgermeister die Gemüter der Neckarbischofsheimer Bürger.
Die Jahresbilanz ist im Allgemeinen befriedigend und wir können für das neue Jahr nur hoffen und wünschen, daß alles auf dem Begonnenen weiterbaut.
03. Januar 1950
Aus der Geschichte des TSV Neckarbischofsheim
48 Jahre müssen wir in der Geschichte zurückblättern, um die ersten „Gründungsversuche eines Sportvereins in Neckarbischofsheim zu finden. Man schrieb das Jahr 1901, als wenige Männer versuchten; hier einen Turnverein ins Leben zu rufen. Durch Mangel an jungen Kräften waren diese ersten Bestrebungen jedoch zum Scheitern verurteilt. Erst acht Jahre später konnte der Wunsch dank des tatkräftigen Einsatzes von Finanzassistent Schäfer und des Bäckers Hermann Störzer verwirklicht werden. Am 14. Juli 1909 war die offizielle Gründungsversammlung, wo sich 29 Personen in die Mitgliederliste eintrugen. Der „Turnverein Neckarbischofsheim“ war aus der Taufe gehoben. Schwer hatte er um seine Anerkennung zu kämpfen; aber desto trotz, der Verein entwickelte sich aufwärts und zählte schon bald 100 Mitglieder. Am 10. Oktober 1909 fand das erste Schauturnen statt. In den folgenden, Jahren nahm der Verein an Wettkämpfen im ganzen Main-Neckar-Gau (zu dem er zählte) teil und konnte immer beachtliche Erfolge heimbringen. Daß der Verein weit über die örtlichen Grenzen hinaus Ansehen genoß, beweist die Ernennung seines ersten Vorstandes Fr. Schäfer zum Gauvorsitzenden des Westbezirks im Main-Neckar-Gau beim Gauturnfest 1913 in Mosbach.
Den ersten schweren Schlag brachte der Ausbruch des Krieges 1914. Alle aktiven Mitglieder wurden zum Heer einberufen Damit lag das Vereinsleben still. Aber schon knapp fünf Monate nach Beendigung des Krieges, am 29. März 1919 fand wıeder die erste Turnratssitzung statt. Der Krieg hatte die Reihen der Turner stark gelichtet, daß der Verein praktisch wieder von vorn anfangen mußte. Aber schon am Ende des Jahres zählte er wieder 93 Mitglieder. Eine schwere Krise brachte die Neugründung eines Fußballvereins im Sommer 1920. Im Mai schlossen sich beide Vereine zusammen und behoben dadurch alle Schwierigkeiten. Damit war der TSV ins Leben gerufen. Großer kameradschaftlicher Geist überwand die Klippen der Inflation.
1924 wurde eine Turnhalle gebaut. Zu dem Männerturnen kommt jetzt auch noch Frauenturnen. 1929 erstellte der Verein in gemeinschaftlicher Arbeit das Schwimmbad. Die Entwicklung ging sehr rasch aufwärts, bis der Ausbruch des zweiten Weltkrieges' wieder alles lahm legte.
Erst sieben Jahre später, am 16. Februar 1946 fand im Gasthaus „Zum Ritter“ die Neugründungsversammlung statt. Der verstorbene Bürgermeister Heinrich Hotz nahm sich der Sache in dankenswerter Weise an und rief m. a. den TSV erneut ins Leben. Der Verein setzte sich jetzt aus Turn-, Fußball- und (Herren- und Damen-) Handballabteilung zusammen. Möge der Verein die Tradition der Väter fortführen und stets eingedenk sein, seinem alten Wahlspruch: Großes Werk gedeiht nur durch Einigkeit.
03. Januar 1950
Helmstadt.
Eine Nähschule unter der Leitung von Frau M. Merz wurde in der Kinderschule eröffnet. Für den heute anlaufenden Kurs, der beiden Konfessionen offensteht, haben sich 45 Mädchen angemeldet. Die Schülerinnen werden in drei freundlichen Bäumen unterrichtet werden.
03. Januar 1950
Rund um die Silvesternacht
Sinsheimer Spiegel
Bombennächte und Sprengungen im letzten Kriege haben auch in Sinsheim das Verständnis für Silvesterknallereien auf den Nullpunkt sinken lassen. Die letzten Stunden des Jahres boten der Jugend allerdings eine ungeahnte Fülle rücksichtsloser Streiche. Mehr als einmal sah man eilende Hausfrauen erschreckt zusammenfahren, wenn in ihrer unmittelbaren Nähe mit lebhaftem Getöse der Kanonenschlag, die Frösche - oder wie man alle die „Scherze“ (die wohl auch ihnen aus früherer Zeit her noch bestens bekannt sind) nennt - zerplatzten.
Mit dem Schrecken kam auch die Frau davon, die auf der Straße nach Rohrbach hinter der Kreispflegeanstalt von zwei übel aussehenden jungen Burschen angesprochen und systematisch eingekreist wurde. In der Dunkelheit, von den Häusern weit entfernt, legten diese Burschen der Frau gegenüber ein unflätiges und verdächtiges Gebähren an den Tag. Ihre Fragen nach der Richtung bewiesen, daß sie ortsunkundig waren. Jedoch waren die Fragen derart sinnlosgestellt, daß die Frau daraus eine unlautere Absicht entnehmen konnte. Erst als sie mit der Polizei drohte, die in greifbarer Nähe wäre, ließen sie von ihr ab und verzogen sich. Sollte die Verwahrlosung der Jugend schon so weit gediehen sein, daß Frauen in den frühen Abendstunden nicht mehr mit dem Bewußtsein der Sicherheit die Straße benutzen können?
Einen klingenden Gruß der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entbot die Stadt- und Feuerwehrkapelle vor dem Rathaus. Die letzten Schläge der Kirchenglocken, mit denen Sinsheim das
„Baby 1950“ aus der Taufe gehoben hatte, waren verklungen, als Stadtmusikmeister Adam den
Taktstock hob und zu nächtlicher Stunde das musikalische Willkommen durch die Straßen tönte.
Nicht nur in den Gasthäusern lief der Betrieb mit Hochdruck, sondern auch dort, wo er keineswegs Amüsement bedeutete: in der Sinsheimer Fernsprechzentral. Jeder, der nur ein Telefon besaß, fühlte den inneren Drang, irgendwen anzurufen, nur um sein Überdruß an Freude . . . und Alkohol . . . loszuwerden. Unentwegt stöpselten die fleißigen Telefonisten. Von einem dicken Brummschädel, der keinen Tropfen Alkohol gesehen hatte, hängten sie sich nach mehrstündiger Nachtarbeit die Hörer ab. Erschöpft wankten sie in den Morgenstunden nach Hause und schüttelten nur den Kopf über die vielen - gleich ihnen - erschöpften Nachtbummler – die die Erschöpfung aber freiwillig gesucht hatten
Und wieder: Hinein in die Arbeit! Wegen Inventur sind heute sämtliche Lebensmittelgeschäfte in Sinsheim geschlossen.