Kraichtal (sn). Knallharten Zahlen und Fakten rund um die Flüchtlingssituation im Landkreis Karlsruhe und speziell in Kraichtal folgten emotionale Schilderungen zweier Syrien-Flüchtlinge sowie informative Einblicke in die Arbeit der Ehrenamtlichen.

So lässt sich der Inhalt der mittlerweile dritten offiziellen Informationsveranstaltung in der Münzesheimer Mehrzweckhalle zum „weltweit diskutierten Topthema“ - wie Bürgermeister Ulrich Hintermayer in den Abend einführte - zusammenfassen. Vor Ort wurden die rund 170 anwesenden Bürgerinnen und Bürger zunächst über die bereits bestehende Gemeinschaftsunterkunft für 100 Personen in Unteröwisheim „Am Gaisberg“ und die in Kürze bezugsfertige, zweite Einrichtung, welche im benachbarten Stadtteil Münzesheim hinter dem Feuerwehrhaus und dem ortsansässigen Drogeriemarkt am „Horst-Kochendörfer-Platz 4“ entsteht, unterrichtet.

„Voraussichtlich am 22. Oktober wird das zweite Containerdorf, ausgelegt ebenfalls für 100 Ankömmlinge, technisch abgenommen. Kurz darauf wird dann der Erstbezug der mobilen Wohneinheiten erfolgen. Die Struktur und Ausstattung gleicht der Anlage in Unteröwisheim“, informierte das Stadtoberhaupt.

Ergänzend teilte er mit, dass die Errichtung der Gemeinschaftsunterkünfte im Zuständigkeitsbereich des Landkreises Karlsruhe liegt, die Anschlussunterbringung jedoch ist Aufgabe der Stadt Kraichtal. In den beiden hierfür bereitgestellten Objekten in der Oberöwisheimer Bachstraße werden bis Jahresende rund 50 Personen Platz finden. „Für das Jahr 2016 sind mindestens weitere 15 Personen aufzunehmen“, weiss Kreiskämmerer Ragnar Watteroth und ergänzte in aller Deutlichkeit, dass diese Zahlen möglicherweise um ein Drei- oder gar Vierfaches steigen können.

Wohnraum ist nach wie vor „heiß begehrt“ Stadt und Landkreis sind also auch weiterhin eindringlich gefordert, was die Bereitstellung von Flächen und Objekten anbelangt. „Wohnraum ist nach wie vor gefragt“, merkte Bürgermeister Ulrich Hintermayer im Laufe des Abends mehrfach an. Ragnar Watteroth und Sozialdezernent Peter Kappes vom Landratsamt machten keinen Hehl daraus, dass mit der Aufnahme von insgesamt 200 Personen für Kraichtal „das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht“ ist.

Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass der Landkreis allein pro Woche rund 200 Personen aufnehmen muss. Kraichtal hilft e. V.“ hat binnen kürzester Zeit 50 Mitglieder Knappem Wohnraum für die Hilfesuchenden stehen Gott sei Dank an die mittlerweile 100 ehrenamtlichen Helfer gegenüber, die es sich in den vergangenen Wochen und Monaten zur Aufgabe gemacht haben, zu helfen und zwar da, wo es nötig ist.

Sei es beim Erlernen der deutschen Sprache oder bei ganz alltäglichen Dingen wie Einkaufen gehen mit den Erwachsenen oder Singen mit den Kindern“, berichtete Ulrich Hintermayer erfreut über das herausragende Engagement um Ehrenamtskoordinator Melo Danze aus Bahnbrücken. Selbst vor vielen Jahrzehnten nach Kraichtal gekommen, hat er hier eine neue Heimat gefunden. „Dies wollen wir mit unserem zu Monatsbeginn gegründeten Verein „Kraichtal hilft e. V.“ auch unseren neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ermöglichen“, so Melo Danze.

Dass dieser Einsatz bereits Früchte trägt zeigte die Informationsveranstaltung auf eindrucksvolle Art und Weise. Ingrid Kielhorn-Fischer, verantwortlich unter anderem für die Pressearbeit rund um „Asyl in Kraichtal“, berichtete gerührt von ihren bisherigen Erfahrungen mit den Flüchtlingen: „Mein Leben hat sich bereichert durch deren Ankunft bei uns in Kraichtal.“ Richtig emotional wurde es, als zwei aus Syrien geflüchtete junge Männer ihren schweren Weg nach Deutschland schildeten. Mohammed bewies, dass es binnen drei Monaten gelingen kann, die Deutsche Sprache zu erlernen.

Wenn auch bruchstückhaft und am Ende seines Vortrags ins Englische wechselnd, teilte er dem gespannt lauschenden Publikum mit, dass in seinem Heimatland Krieg herrscht, seine Straße zerbombt wurde und seine Freunde zum Teil tot sind. In der Mehrzweckhalle hätte man eine Stecknadel fallen hören, als er sein „Kriegsandenken“ aus dem Gefängnis, eingebrannt in den Handrücken, zeigte. Die Geschichte seines Landsmannes Mahmut war nicht weniger erschütternd.

Sein 20. Fluchtversuch war es schließlich, der gelang. Gemeinsam mit seiner kranken Ehefrau und seinen drei Kindern machte er sich auf den Weg. Die Familie musste er schweren Herzens in der Türkei zurücklassen.

In Sorge um seine kranke Frau will er unbedingt Deutsch lernen und Arbeit finden, um seine bedürftigen Angehörigen zu unterstützen. Menschen aus rund 15 Herkunftsländern sind in Unteröwisheim vereint Eine Bilderpräsentation aus dem Leben in der Gemeinschaftsunterkunft in Unteröwisheim sowie eine kurze Videosequenz – kommentiert von Melo Danze und Astrid Schlüssler – lieferten weitere Eindrücke.

Neben gemeinsamen Pflanzaktionen, dem Bau von Gartenmöbeln und Sichtschutzwänden sowie Ausflügen ins nahe Umland, war der Mitte September durchgeführte „Tag der offenen Tür“ ein Höhepunkt der bislang erfolgten Tätigkeiten. Integration kann nur dann gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Gefragt sind also nicht nur Astrid Schlüssler als zuständige Betreuerin der Gemeinschaftsunterkunft in Unteröwisheim und die Ehrenamtlichen von „Kraichtal hilft e. V.“, sondern auch Vereine, Schulen und Arbeitgeber.

Mit Unterstützung der Stadtverwaltung konnte in Menzingen mit dem „Depot 25“ ein eigenes Ladenlokal eingerichtet werden, in dem Sachspenden angenommen und Second-Hand-Kleider und Co. zugunsten der Flüchtlinge verkauft werden – ein Angebot das allen Kraichtalern uneingeschränkt zur Verfügung steht. Den Schilderungen schloss sich eine offene Diskussionsrunde an. In Bezug auf das bisher geleistete Engagement im kleinen, ländlich geprägten Kraichtal lieferte Melo Danze das passende Schlusswort „Klein kann auch groß sein!“

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BU: Deutsch lernen zahlt sich aus: Mohammed und Machmut bewiesen dies mit ihren Vorträgen am Infoabend, unterstützt von zwei Ehrenamtlichen.

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