Und er backt immer noch - 150 Jahre frisches Brot aus dem Gochsheimer Gemeindebackofen

Für den alljährlichen Kraichtaler Familienbacktag erwachte das alte Schmuckstück wieder zum Leben

Beliebter denn je: die Holzofenbrote aus dem Badischen Bäckereimuseum in Kraichtal-Gochsheim.

Kraichtal (sn). Am Sonntagabend, 22. September, dürfte in zahlreichen Haushalten im Kraichgau das Abendbrot etwas ganz Besonderes gewesen sein. An diesem Abend, so möchte man wetten, war das Brot Star und Mittelpunkt der Mahlzeit und nicht nur ein einfacher Träger für Wurst, Käse oder Marmelade. Vielleicht etwas Butter und etwas Salz dazu, ansonsten aber einfach nur jenes duftende und noch leicht warme Brot, das nur zu wenigen, ausgewählten Terminen im Jahr zu haben ist.

Die Rede ist von den goldbraunen Köstlichkeiten, die aus dem alten Gemeindebackofen im Kraichtaler Stadtteil Gochsheim, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln, über den Tisch gehen. Eigens für den Kraichtaler Familienbacktag wird der historische Ofen einmal im Jahr von den engagierten Gochsheimer „Back-Helden“ Alfred Weber, Simone Dutzi, Thomas Dutzi und Bäckermeister Carsten Föckler „aus dem Dornröschenschlaf geholt“.

Dabei gilt es behutsam vorzugehen - der zwischen 1870 und 1880 erbauten Feuerstätte einfach „Dampf unterm backsteinernen Hintern zu machen“, würde schließlich geplatzte Steine und damit ihr sicheres Ende bedeuten. Ganz behutsam wird also der alte Ofen über mehrere Tage hinweg angefahren, um pünktlich zum Familienbacktag bereit für die Aufnahme der Teiglinge zu sein.

Pünktlich um 13 Uhr, zu Beginn der beliebten Veranstaltung, sammeln sich dann die Menschen vor dem Gochsheimer Bäckereimuseum, um die köstlich dampfenden Brote, den Mohnkuchen oder die Rahmfladen noch handwarm zu genießen. Dazu noch etwas hausgemachter süßer Wein und das Wochenende könnte nicht mehr besser werden.

Das Brot, das an diesem Sonntag aus dem Gochsheimer Backofen wandert, ist in vielerlei Hinsicht etwas ganz Besonderes. Nicht nur geschmacklich weiß das aus selbstgemachten Natursauerteig hergestellte Backwerk zu überzeugen, sondern auch mit seiner Herkunft zu beeindrucken. Schließlich hat der alte Gemeindebackofen mittlerweile fast 150 Jahre „auf dem Buckel“ und blickt auf eine lange und bewegte Geschichte zurück.

Weil Ende des 19. Jahrhunderts viele Häuser aufgrund baulich mangelhafter Feuerstätten den Flammen anheimfielen, entschlossen sich damals viele Städte und Gemeinden eigene Backöfen für ihre Bürgerinnen und Bürger einzurichten. So konnte ein jeder seinen Teig zum zentral gelegenen Backhaus bringen und der diensthabende Bäcker buk für ein paar Pfennige die fertigen Brote im rund um die Uhr befeuerten und bewachten Ofen. Auch in Gochsheim wurde auf diese Art und Weise von etwa 1870 bis 1905 verfahren.

Anschließend wurde der Ofen mit Mauerwerk versiegelt und das kleine Backhaus einer gänzlich anderen Bestimmung zugeführt. Über viele Jahrzehnte diente es in Gochsheim als Armenhaus, das zeitweise - so sagt man - bis zu zehn Familien auf seinen wenigen Quadratmetern beherbergte. Die „Gänsemagd“ ist als letzte prominente Bewohnerin in Gochsheim immer noch bei den Älteren bekannt.

In den 70er Jahren nutzte der Bäckerei-Fachverband das Backhaus dann für Vorführungen und Ausstellungen bis er sich Anfang der 90er Jahre neu aufstellte und das historische Kleinod nicht mehr benötigte. Seit 1990 etwa kümmern sich nun der Heimat- und Museumsverein Kraichtal und die Stadt Kraichtal um den altehrwürdigen Gemeindebackofen und seine Behausung.

2016 wurde das Schmuckstück von der Stadt Kraichtal aufwändig saniert, um die Gochsheimer, wenn auch nur zu besonderen Anlässen, weitere 150 Jahre mit duftenden Köstlichkeiten versorgen zu können. Das nächste Mal wird der Ofen am „Schokoladentag“ angeworfen. Also, gerne vormerken: Sonntag, 13. Oktober, ab 13 Uhr.

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